Er war schon ein gewiefter Geschäftsmann dieser Johann Gottfried Brügelmann, einer, der in die Zukunft blickte und der auch vor manch fragwürdigen Methoden nicht zurückschreckte, um sein Ziel zu erreichen.
Geboren wurde dieser Mann, der zum Urvater der industriellen Revolution auf dem europäischen Kontinent werden sollte am 6. Juli des Jahres 1750 in Elberfeld, das heute zu Wuppertal gehört. Es war ein privilegiertes Umfeld, in das der junge Johann Gottfried hineingeboren wurde. Wohlhabende Kaufleute, die zur „Garnnahrung“ gehörten, einer Art Kartell, das den Garnmarkt im Herzogtum Berg kontrollierte. Sein Vater Johann Wilhelm (1721-1784) war zudem Bürgermeister von Elberfeld. Man gehörte zur High Society des Bergischen Landes und alles sprach dafür, dass auch Johann Gottfried seinen Weg gehen würde und er ging:
Die ersten Jahre des Johann Gottfried Brügelmann
Wir wissen erstaunlich wenig über den Menschen Johann Gottfried Brügelmann, die meisten Informationen, die auf uns gekommen sind, sind solche über den Industriellen, den Fabrikanten Johann Gottfried Brügelmann.
Über seine Kindheit ist im Grunde gar nichts bekannt, einzig die Tatsache, dass er als zweites von insgesamt vier bzw. sechs Kindern geboren wurde und am 6. Juli 1750, also direkt am Tag seiner Geburt, getauft wurde. Seine Eltern waren der schon erwähnte Johann Wilhelm Brügelmann und dessen erste Ehefrau Anna Gertrud Kühnen.
Vom Vater Johann Wilhelm Brügelmann kennen wir nicht einmal das genaue Geburtsdatum, nur das Jahr ist bekannt: 1721 und der Geburtsort: Elberfeld. Sein Vater Engelbert Brügelmann (1694-1738) war Kaufmann und diesen Berufsweg schlug auch Johann Wilhelm ein. Am 3. September 1747 heiratete er Anna Gertrud Kühnen (1721-1754) von der wir noch viel weniger wissen.
Insgesamt entsprangen dieser Ehe vier Kinder, darunter eben jener Johann Gottfried, der hier der Mittelpunkt unserer Geschichte ist. Nach der Geburt des vierten Kindes verstarb Anna Gertrud, wie so viele Frauen in jener Zeit, im Kindbett. Allein mit vier Kindern schaute sich daher Johann Wilhelm nach einer neuen Ehefrau um und fand sie in Maria Kersten (1723-1799), einer Schwester der Gründer des Bankhauses „Gebrüder Kersten“, das ebenfalls in Elberfeld ansässig war. Eine gute Partie also, die dem weiteren Aufstieg der Familie nur hilfreich sein konnte. Mit Maria hatte er zwei weitere Kinder, darunter Carl Friedrich Brügelmann (1758-1824), der später, in indirekter Nachfolge seines Vaters, ebenfalls Bürgermeister in Elberfeld werden sollte.
Soweit die Informationen, die wir über die Familie Brügelmann in jenen Jahren der Kindheit Johann Gottfrieds haben. Was wir noch wissen, ist, dass sein Vater in den Jahren 1759 und 1760 in den Rat der Stadt Elberfeld gewählt wurde, ebenso wie 1764 und 1768. Dazwischen, im Jahr 1762, war er Bürgermeister.
Johann Gottfried besuchte zunächst die Elberfelder Bürgerschule und machte eine kaufmännische Lehre, das bot sich ja auch an, war quasi vorherbestimmt, wenn man sich die Familie anschaut. Er machte diese Lehre allerdings nicht nur daheim in Elberfeld oder vielleicht in Wuppertal – er ging auch in die Schweiz, so im Jahr 1770. Hier in der Schweiz, genauer gesagt in Basel, war es vor allem die Baumwollindustrie, die er kennenlernte. Das Spinnen von speziellen Feingeweben, das hier seit dem 17. Jahrhundert blühte und unter den Bezeichnungen „Nanquins oder Nanquinettes“ bekannt war, lernte er hier kennen und es sollte für seine spätere Zukunft noch von großer Bedeutung werden.
Auf diese Art also, fast wie ein junger Adliger auf Kavalierstour, lernte Johann Gottfried die Geschäfte und auch die Geschäftspartner der Familie genau kennen und erlangte eine gute Basis für seine spätere unternehmerische Tätigkeit.
Johann Gottfried Brügelmann und Anna Christina Ochsen
Die Ehe, die er im Jahr 1774 mit der fünf Jahre älteren Witwe Anna Christina Ochsen (1745-1808) schloss, war für ihn gleich in mehrfacher Hinsicht der Startschuss in ein neues Leben:
Anna Christina Ochsen, geb. Bredt war eine durchaus vermögende Frau. Auch sie entstammte einer Familie, die Mitglied der Elberfelder Garnnahrung war und auch sie gehörte, wie nahezu alle Mitglieder von bergischen Unternehmerfamilien, der reformierten Gemeinde an. Hier gesellten sich also gleich und gleich, so wie es von vornherein zu erwarten gewesen war.
Bereits zwei Jahre nach der Hochzeit wurde der erste Sohn geboren: Jacob Wilhelm und nur ein Jahr später gleich ein zweiter, der den Namen des Vaters Johann Gottfried erhielt.
Johann Gottfried Brügelmann war angekommen in der Welt der Elberfelder Unternehmer. Er war beliebt und wurde geschätzt und genau wie sein Vater in den Rat der Stadt berufen. Anscheinend aber reichte ihm dies alles noch nicht. Er wollte mehr.
Das Kapital, das seine Frau mit in die Ehe brachte war es das es Johann Gottfried Brügelmann drei Jahre später möglich machen sollte, das Unternehmen seines Vaters zu verlassen und sich wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen.
1777 war es soweit: Brügelmann gründete sein erstes eigenes Geschäft und natürlich in Elberfeld. Zu diesem Zeitpunkt begann er auch sein Augenmerk auf England zu richten. Auf das Land, in dem das Spinnen und die Garnherstellung inzwischen nicht mehr von Frauen und Männern in Heimarbeit erledigt wurde, wie schon seit Jahrhunderten, sondern wo es mechanisiert worden war und zwar in großem Stil, wo es Maschinen gab, die diese Arbeiten erledigten schneller und effizienter als Menschen es in Handarbeit konnten.
Er selbst war zu diesem Zeitpunkt nie selbst in England gewesen, hatte von den Maschinen, die ein gewisser Richard Arkwright erfunden und gebaut hatte nur gehört. Jene legendäre „Waterframe“ war 1769 zum Patent angemeldet worden und 1771 hatte Arkwright seine Spinnerei gegründet, in Cromford in Derbyshire am Fluss Derwent gelegen. Heute ist diese Region mit der Fabrik des Richard Arkwright ein Teil des Weltkulturerbes Derwent Valley Mills. Hier steht die Wiege der Industriellen Revolution.
Johann Gottfried Brügelmann und Carl Albrecht Delius
Manchmal hilft eine Idee nicht weiter, manchmal braucht es Hilfe, um die Idee umzusetzen; so war es auch bei Johann Gottfried Brügelmann. Es war schön und gut, dass er die Idee hatte nach Vorbild von Arkwright und seiner Waterframe eine vergleichbare Produktionsstätte einzurichten. Der Wunsch half ihm aber nicht weiter, denn in England war man auf der Hut vor Industriespionage, es gab Ausfuhrverbote für Maschinen und auch Maschinenteile. Was also konnte Brügelmann tun?
Wahrscheinlich hätte er gar nichts tun können und wäre dem Wunsch ewig hinterhergelaufen, wenn er nicht Carl Albrecht Delius (1731-1799) kennengelernt hätte. Delius stammte aus Bielefeld und war häufig in England in gewesen. Hier hatte er auch die englische Spinntechnik kennengelernt und studiert und ihm gelang es sowohl Skizzen der Maschinen als auch Modelle der Maschinen aus England herauszuschmuggeln.
Das alleine half aber immer noch nicht, denn sowohl Skizzen als auch Modelle machten es nicht möglich eine Waterframe so einfach nachzubauen. Es brauchte mehr, genau genommen brauchte es Menschen. Menschen, die diese Maschinen kannten, mit ihnen umgehen konnten und sie bauen konnten. Und – erstaunlich aber wahr – es gelang Delius tatsächlich englische Facharbeiter abzuwerben und sie nach Deutschland zu holen.
Aber kaum war das eine Problem gelöst, da kam auch schon das nächste Problem um die Ecke – wie es halt so ist im Leben, manchmal ist der Wurm drin:
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Brügelmann und der Weg von Cromford nach Cromford
1781 brach der Weberstreit im Tal der Wupper aus. ehemals hatte es in der Zunft 300 Mitglieder gegeben, inzwischen waren es 1.100 mit der Folge, dass die Löhne sanken und kaum noch einer sein Auskommen fand.
Die Fabrikanten aber weigerten sich mehr zu zahlen, beanstandeten zahlreiche Stücke und der offene Aufruhr brach aus. Ganz besonders traf es Johann Gottfried Brügelmann. Er war, nach allem, was wir wissen, ein eher lauter und aufbrausender Mensch und zudem der Sprecher der Kaufmannschaft. So zog er den Zorn der Weber auf sich.
Der Aufstand eskalierte derart, dass erst herbeigerufenes Militär wieder Ordnung herstellen konnte und in der Folge 1783 die Weberzunft aufgehoben wurde. Der Fakt aber blieb, dass Brügelmann nun einen schweren Stand in Elberfeld hatte. Wohl der Hauptgrund, warum er in der Folge seine Vaterstadt verließ und nach einem neuen Ort suchte, wo er seinen Traum von einer Fabrik im englischen Stil verwirklichen konnte.
Bereits vor 1783 (das genaue Datum ist nicht zu klären) hatte Brügelmann ein Grundstück am Angerbach bei Ratingen vom Grafen Ambrosius Franziskus von Spee gekauft, auf dem bereits eine allerdings stillgelegte Mühle existierte. Dieser Platz war ideal für den großen Traum von der „englischen Fabrik“ und Brügelmann ließ zwei Gebäude errichten, die die Spinnmaschinen beherbergen sollten.
Damit war im Sommer 1784 das Werk offiziell von Elberfeld nach Ratingen verlegt und Brügelmann erbat beim Kurfürsten Carl Theodor ein Privileg für seine Spinnerei. Er erhielt es, auch wenn die Elberfelder Garnnahrungsgenossen heftig protestierten. Außerdem schien der Einsatz dieses Kaufmanns und Fabrikanten Carl Theodor derart zu beeindrucken, dass er ihn auch gleich zum Kommerzienrat ernannte.
Johann Gottfried Brügelmann hatte es geschafft – er hatte sein eigenes Cromford erschaffen, eine erste Fabrik auf dem europäischen Kontinent. Der Weg war schwierig und von legal recht weit entfernt, aber am Ende von Erfolg gekrönt.
Brügelmanns letzte Jahre
Auf Sonnenschein folgt meist Regen, so auch im Leben des Johan Gottfried Brügelmann. Die Zeit des Jubels währte nicht lang. Im Jahr 1785 starben kurz nacheinander sein Vater und ein Bruder.
Der Erfolg der Firma jedoch war ungebrochen, zumal ob der Protektion durch den Kurfürsten, der es allen Arbeitern in Cromford unter Androhung hoher Strafe untersagte die Fabrik zu verlassen und deren Geheimnisse zu verraten – ganz wie in England.
So konnte es sich Brügelmann leisten 1787 den Bau eines opulenten Herrenhauses zu beginnen. 20.000 Taler soll es gekostet haben. Errichtet auf drei Etagen, ganz im Stil des Spätbarock gehalten und offenbar auf Plänen des kurfürstlichen Baumeisters Nicolas de Pigage beruhend, der einige Jahre zuvor bereits das kurfürstliche Schloss in Benrath erbaut hatte.
Auch vor dem Herrenhaus ließ Brügelmann sich nicht lumpen und engagierte den später so berühmten Maximilian Friedrich Weyhe (1775-1846), um hier einen Park anzulegen. Es ist ein teils barocker, teils englischer Garten, der heutige Poensgenpark.
In den 1790er Jahren erweiterte Brügelmann seine Fabrik zudem um eine Türkischrot-Färberei. Wieder allerdings waren es äußere Geschehnisse, die massiven Einfluss auf ihn und seine Firma hatten. Die linksrheinischen Gebiete des alten Herzogtums Jülich-Kleve-Berg waren 1797 an Frankreich abgetreten worden, so verlor man ein wichtiges und traditionelles Absatzgebiet. Ein erster Rückschlag, der allerdings durch die Kontinentalsperre kompensiert werden konnte, die die Einfuhr englischer Waren verbot, so dass das Ratinger Cromford plötzlich quasi ein Monopol besaß. Man expandierte. Bald arbeiteten mehr als 600 Menschen in der Fabrik und das Privileg des Kurfürsten sicherte die Zukunft ab.
Aber trotz des Privilegs und kurfürstlicher Unterstützung war klar, dass Brügelmann nicht lange mit seiner mechanisierten Spinnerei allein bleiben konnte. Es geschah, was geschehen musste: auch andere Männer fanden Mittel und Wege an Maschinen zu gelangen und Fabriken zu errichten, so etwa Johann Caspar Troost (1759-1830), der im Jahr 1791 in Mülheim eine ganz ähnliche Fabrik eröffnete. 15 solcher Baumwollspinnereien gab es bald in und um das Tal der Wupper herum.
Brügelmann allerdings ruhte sich auf seinen bisherigen Erfolgen nicht aus, er blieb im Expansions- und Innovationsmodus und errichtete Zweigstellen seiner Fabrik in Köln und Rheydt, engagierte sich im Düsseldorfer Handlungsvorstand und war sogar auf dem Rastatter Kongress als Gesandter tätig.
Am 27. Dezember 1802, im Alter von nur 52 Jahren, starb Johann Gottfried Brügelmann als einer der reichsten Männer im Rheinland.
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